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Moe, Jørgen Engebretsen / Norwegische Volksmährchen I. gesammelt von P. Asbjörnsen und Jörgen Moe
E-text prepared by Delphine Lettau and the Project Online
Distributed Proofreading Team ()



Norwegische Volksmährchen.

1.


Norwegische
Volksmährchen,
gesammelt
von
P. Asbjörnsen und Jörgen Moe.

Deutsch von Friederich Bresemann.

Mit einem Vorworte
von
Ludwig Tieck.


Erster Band.







Verlegt
von
M. Simion in Berlin.

1847.

Gedruckt bei Julius Sittenfeld in Berlin.




_Vorwort._


Vor funfzig Jahren etwa waren bei vielen ernsthaften, selbst gebildeten
Leuten die Mährchen, Erzählungen von Feen und seltsamen Erscheinungen
von Gespenstern und Geistern in üblem Ruf. Die Geschichten der Tausend
und Einen Nacht genossen bei poetischen Gemüthern einige Achtung, sie
waren wenigstens von den Leihbibliotheken nicht ausgeschlossen. Die
Erzählungen meiner Mutter Gans waren über ganz Europa verbreitet, doch
nur in den Händen der Kinder. Einige Jahre früher hatte unser deutscher
Musäus seine humoristischen Volksmährchen fast als stärkendes Mittel in
die damals überfluthende weichliche Sentimentalität hineingeworfen, und
sie fanden allgemeinen Beifall, den sie auch bis jetzt sich erhalten
haben, obgleich das poetische Element dieser alten Volks-Sagen und
Dichtungen nicht selten durch Anspielungen auf ganz moderne Dinge und zu
prosaische Zustände verfinstert ist. Man rechnete aber diese exotischen
Pflanzen und Blumen nicht zur eigentlichen Literatur, und als ich um
1796 meine Versuche in dieser Art herausgab und uralte Geschichten in
ein andres Gewand kleidete, wurde ich von vielen meiner Freunde und
Wohlwollenden sehr ernsthaft getadelt.

Wie hat sich seitdem diese Gegend der Bücherwelt verwandelt! Eine ganze
reiche Literatur dieser Mährchen ist entstanden und aus allen Ländern
der Erde zusammengetragen.

Viele von diesen Volks- und Kindermährchen sind durch Tradition
und viele Jahre verwandelte und verderbte epische Gedichte, und es
ist interessant und rührend überraschend, wenn von Zeit zu Zeit im
verschütteten Grunde der alte Baum noch grünend wiedergefunden wird, den
gedächtnißlose Jahre in ein unkenntliches Sträußchen zusammengetrocknet
haben. Ergeht man sich in diesen Forschungen, so wird unser Sinn endlich
verwirrt und schwindelnd, weil bei zu genauer Untersuchung Indien
und Frankreich, Deutschland und Italien mit Island und dem Nordpol
zusammenfließen. Alle Völker, alle Kinder haben sich von je an größeren
und kleineren Mährchen ergötzt, Kinder selbst haben manche erfunden,
oder die sie hörten auf ihre Art nachgeahmt, andre, alte und junge
Frauen haben diese auf ihre Art wieder umgebildet, und so findet der
Suchende jetzt in allen Ländern zum Theil dieselben Sagen wieder, mehr
oder minder vom Clima, dem Süden oder Norden gefärbt.

Und so nehme man auch diese Sammlung freundlich auf, diesen nordischen
Strauß von Spätblumen und einigen seltsamen Pflanzen. Die interessantesten
möchten wohl die Erzählungen sein, die von einem leichten, gutmüthigen
Humor angefärbt sind. Wenn Aschenbrödel, Blaubart, und manche ganz
allgemein verbreitete Legenden oft und unter mancherlei Gestalten
vorkommen, so lasse man sich auch die oft nicht bedeutende Variation
gefallen, und bei einfachen, natürlichen Kindern müßten die meisten
dieser Geschichten Eingang und eine freundliche Aufnahme finden.

Immer in ähnlicher Gestalt mit zwei bis neun Köpfen erscheint der
ungeschlachte, boshafte Riesengeist _Troll_. Um 1790, als W. v. Schlegel
noch in Göttingen lebte, und sehr befreundet war mit unserm deutschen
Dichter Bürger, ergingen sich Lehrer und Schüler auch oft in den Wäldern
nordischer Poesie. Damals war selbst unter Gelehrten in Dänemark und
Schweden nicht viel Kunde von dieser Region, und so bildete sich der
poetische Bürger ein, unser deutsches Wort _drollig_ sei von diesem
schadenfrohen Nordgeiste abgeleitet, und in diesem Glauben bildete
Schlegel nachher in seinem Sommernachtstraum den Kobold _Droll_, statt
des englischen alt-nationalen _Puck_, welcher freilich ein ganz anderer
und mehr komischer Gesell ist, als diese Trollgeister sich zeigen.
Schon vor vielen Jahren stritt ich mit Schlegel über diesen (vielleicht
unbedeutenden) Punkt, bis denn zu Maria Weber's Oberon ein Engländer
selbst seinem Puck ungetreu geworden ist, und diesen neu beförderten
Geist _Droll_ singen und sprechen läßt.

Meinen Dank dem kundigen Übersetzer, der mich diese Sagen hat kennen
lernen, und dessen Wunsch ich gern genügt habe, ein kleines einleitendes
Wort dieser Sammlung vorzusehen.

L. TIECK.

POTSDAM in den letzten Tagen des
October 1846, unmittelbar nach einer
schweren Krankheit.




Inhalt:

Seite

1. Von Aschenbrödel, welcher die silbernen Enten, die
Bettdecke und die goldne Harfe des Trollen stahl 1
2. Der Gertrudsvogel 8
3. Der Vogel Dam 10
4. Die wortschlaue Prinzessinn 27
5. Der reiche Peter Krämer 29
6. Aschenbrödel, der mit dem Trollen um die Wette aß 45
7. Von dem Burschen, der zu dem Nordwind ging und
das Mehl zurückforderte 49
8. Die Jungfrau Maria als Gevatterinn 54
9. Die drei Prinzessinnen aus Witenland 61
10. Es giebt noch mehr solche Weiber 70
11. Einem Jeden gefallen seine Kinder am besten 78
12. Eine Freiergeschichte 79
13. Die drei Muhmen 80
14. Der Sohn der Wittwe 86
15. Die Tochter des Mannes und die Tochter der Frau 100
16. Hähnchen und Hühnchen im Nußwald 113
17. Der Bär und der Fuchs 118
#a#) Warum der Bär einen Stumpfschwanz hat 118
#b#) Wie der Fuchs den Bären ums Weihnachtsessen
prellt 119
18. Gudbrand vom Berge 122
19. Kari Trästak 128
20. Der Fuchs als Hirte 146
21. Vom Schmied, den der Teufel nicht in die Hölle lassen
durfte 148
22. Der Hahn und die Henne 157
23. Der Hahn, der Kukuk und der Auerhahn 158
24. Lillekort 159
25. Die Puppe im Grase 179
26. Das Kätzchen auf Dovre 183
27. Soria-Moria-Schloß 185
28. Der Herr Peter 200
29. Aase, das kleine Gänsemädchen 208
30. Der Bursch und der Teufel 213




1.

Von Aschenbrödel,
welcher die silbernen Enten, die Bettdecke und die goldne Harfe des
Trollen stahl.


Es war einmal ein armer Mann, der hatte drei Söhne. Als er starb, wollten
die beiden ältesten in die Welt reisen, um ihr Glück zu versuchen;
aber den jüngsten wollten sie gar nicht mit haben. »Du da,« sagten sie:
»taugst zu nichts Anderm, als in der Asche zu wühlen. Du!« -- »So muß
ich denn allein gehen,« sagte _Aschenbrödel_. Die beiden gingen und
kamen zu einem Königsschloß; da erhielten sie Dienste, der eine beim
Stallmeister, und der andre beim Gärtner. Aschenbrödel ging auch fort
und nahm einen großen Backtrog mit, das war das Einzige, was die Ältern
hinterlassen hatten, wonach aber die andern beiden nichts fragten; der
Trog war zwar schwer zu tragen, aber Aschenbrödel wollte ihn doch nicht
stehen lassen. Als er eine Zeitlang gewandert war, kam er ebenfalls zu
dem Königsschloß, und dort bat er um einen Dienst. Sie antworteten ihm
aber, daß sie ihn nicht brauchen könnten; da er indeß so flehentlich
bat, sollte er zuletzt die Erlaubniß haben, in der Küche zu sein und
der Köchinn Holz und Wasser zuzutragen. Er war fleißig und flink, und
es dauerte nicht lange, so hielten Alle viel von ihm; aber die beiden
Andern waren faul, und darum bekamen sie oft Schläge und wenig Lohn und
wurden nun neidisch auf Aschenbrödel, da sie sahen, daß es ihm besser
ging.

Dem Königsschloß grade gegenüber, an der andern Seite eines Wassers,
wohnte ein Troll, der hatte sieben silberne Enten, die auf dem Wasser
schwammen, so daß man sie von dem Schloß aus sehen konnte; die hatte
sich der König oft gewünscht, und deßhalb sagten die zwei Brüder zu dem
Stallmeister: »Wenn unser Bruder wollte, so hat er sich gerühmt, dem
König die sieben silbernen Enten verschaffen zu können.« Man kann sich
wohl denken, es dauerte nicht lange, so sagte der Stallmeister es dem
König. Dieser sagte darauf zu Aschenbrödel: »Deine Brüder sagen, Du
könntest mir die silbernen Enten verschaffen, und nun verlange ich es
von Dir.« -- »Das habe ich weder gedacht, noch gesagt,« antwortete der
Bursch. »Du hast es gesagt,« sprach der König: »und darum sollst Du sie
mir schaffen.« -- »Je nun,« sagte der Bursch: »wenn's denn nicht anders
sein kann, so gieb mir nur eine Metze Rocken und eine Metze Weizen; dann
will ich's versuchen.« Das bekam er denn auch und schüttete es in den
Backtrog, den er von Hause mitgenommen hatte, und damit ruderte er über
das Wasser. Als er auf die andre Seite gekommen war, ging er am Ufer auf
und ab und streu'te und streu'te, und endlich gelang es ihm, die Enten
in den Trog zu locken und nun ruderte er, all was er nur konnte, wieder
zurück.

Als er auf die Mitte des Wassers gekommen war, kam der Troll an und ward
ihn gewahr. »Bist Du mit meinen sieben silbernen Enten davongereis't,
Du?« fragte er. »Ja--a!« sagte der Bursch. »Kommst Du noch öfter, Du?«
fragte der Troll. »Kann wohl sein,« sagte der Bursch. -- Als nun
Aschenbrödel mit den sieben silbernen Enten zurück zu dem König kam,
wurde er noch beliebter im Schloß, und der König selbst sagte, es wäre
gut gemacht. Aber darüber wurden seine Brüder noch aufgebrachter und
noch neidischer auf ihn und verfielen nun darauf, zum Stallmeister zu
sagen, jetzt hätte ihr Bruder sich auch gerühmt, dem König die Bettdecke
des Trollen mit den silbernen und goldnen Rauten verschaffen zu können,
wenn er bloß wolle; und der Stallmeister war auch diesmal nicht faul, es
dem König zu berichten. Der König sagte darauf zu dem Burschen, daß seine
Brüder gesagt hätten, er habe sich gerühmt, ihm die Bettdecke des Trollen
mit den silbernen und goldnen Rauten verschaffen zu können, und nun
solle er es auch, oder sonst solle er das Leben verlieren. Aschenbrödel
antwortete, das hätte er weder gedacht, noch gesagt; da es aber nichts
half, bat er um drei Tage Bedenkzeit. Als die nun um waren, ruderte
Aschenbrödel wieder hinüber in dem Backtrog und ging am Ufer auf und ab
und lauerte. Endlich sah er, daß sie im Berge die Bettdecke heraushängten,
um sie auszulüften; und als sie wieder in den Berg zurückgegangen waren,
erschnappte Aschenbrödel die Decke und ruderte damit zurück, so schnell
er nur konnte. Als er auf die Mitte gekommen war, kam der Troll an und
ward ihn gewahr. »Bist Du es, der mir meine sieben silbernen Enten
genommen hat?« rief der Troll. »Ja--a!« sagte der Bursch. »Hast Du nun
auch meine silberne Bettdecke mit den silbernen und goldnen Rauten
genommen?« -- »Ja--a!« sagte der Bursch. »Kommst Du noch öfter, Du?« --
»Kann wohl sein,« sagte der Bursch. Als er nun zurückkam mit der goldnen
und silbernen Decke, hielten Alle noch mehr von ihm, denn zuvor, und er
ward Bedienter beim König selbst. Darüber wurden die andern Beiden noch
mehr erbittert, und um sich zu rächen, sagten sie zum Stallmeister: »Nun
hat unser Bruder sich auch gerühmt, dem König die goldne Harfe verschaffen
zu können, die der Troll hat, und die von der Beschaffenheit ist, daß
Jeder, wenn er auch noch so traurig ist, froh wird, wenn er darauf
spielen hört.« Ja, der Stallmeister, der erzählte es gleich wieder dem
König, und dieser sagte zu dem Burschen: »Hast Du es gesagt, so sollst
Du es auch. Kannst Du es, so sollst Du die Prinzessinn und das halbe
Reich haben; kannst Du es aber nicht, so sollst Du das Leben verlieren.«
-- »Ich habe es weder gedacht, noch gesagt,« antwortete der Bursch:
»aber es ist wohl kein andrer Rath, ich muß es nur versuchen; doch sechs
Tage will ich Bedenkzeit haben.« Ja, die sollte er haben; aber als sie
um waren, mußte er sich aufmachen. Er nahm nun einen Lattenspiker, einen
Birkenpflock und einen Lichtstumpf in der Tasche mit, ruderte wieder
über das Wasser und ging dort am Ufer auf und ab und lauerte. Als der
Troll herauskam, und ihn gewahr ward, fragte er: »Bist Du es, der mir
meine sieben silbernen Enten genommen hat?« -- »Ja--a!« antwortete
der Bursch. »Du bist es, der mir auch meine Decke mit den goldnen und
silbernen Rauten genommen hat?« fragte der Troll. »Ja--a!« sagte der
Bursch. Da ergriff ihn der Troll und nahm ihn mit sich in den Berg.
»Nun, meine Tochter,« sagte er: »nun hab' ich ihn, der mir meine
silbernen Enten und meine Bettdecke mit den silbernen und goldnen Rauten
gestohlen hat; setz' ihn jetzt in den Maststall, dann wollen wir ihn
schlachten und unsre Freunde bitten.« Dazu war die Tochter sogleich
bereit, und sie setzte ihn in den Maststall, und da blieb er nun acht
Tage lang und bekam das beste Essen und Trinken, das er sich wünschen
konnte, und so viel er nur wollte. »Geh nun hin,« sagte der Troll zu
seiner Tochter, als die acht Tage um waren: »und schneide ihn in den
kleinen Finger, dann werden wir sehen, ob er schon fett ist.« Die
Tochter ging sogleich hin. »Halt mal Deinen kleinen Finger her!«
sagte sie; aber Aschenbrödel steckte den Lattenspiker heraus, und
in den schnitt sie. »Ach nein, er ist noch hart wie Eisen,« sagte die
Trolltochter, als sie wieder zu ihrem Vater kam: »noch können wir ihn
nicht schlachten.« Nach acht Tagen ging es wieder eben so, nur daß
Aschenbrödel jetzt den Birkenpflock heraussteckte. »Ein wenig besser ist
er,« sagte die Tochter, als sie wieder zu dem Trollen kam: »aber noch
war er hart zu kauen, wie Holz.« Acht Tage darnach sagte der Troll
wieder, die Tochter solle hingehen und zusehen, ob er jetzt nicht
fett genug wäre. »Halt mal Deinen kleinen Finger her!« sagte die
Tochter, als sie zum Maststall gekommen war. Nun hielt Aschenbrödel den
Lichtstumpf hin. »Jetzt geht's an,« sagte sie. »Haha!« sagte der Troll:
»so reise ich fort, um Gäste zu bitten; inmittlerweile sollst Du ihn
schlachten und die eine Hälfte braten und die andre Hälfte kochen.« Als
der Troll nun gereis't war, fing die Tochter an, ein großes langes
Messer zu schleifen. »Sollst Du mich damit schlachten?« fragte der
Bursch. »Ja, Du,« sagte die Trolltochter. »Aber es ist nicht scharf,«
sagte der Bursch: »ich muß es Dir nur schleifen, damit Du mich desto
leichter ums Leben bringen kannst.« Sie gab ihm nun das Messer, und
er fing an zu schleifen und zu wetzen. »Laß es mich jetzt an Deiner
Haarflechte probiren,« sagte der Bursch: »ich glaube, es wird nun gut
sein.« Das erlaubte sie ihm denn auch; aber sowie Aschenbrödel die
Haarflechte ergriff, bog er ihr den Kopf zurück und schnitt ihr den Hals
ab -- und kochte dann die eine Hälfte und bratete die andere und trug es
auf den Tisch. Darauf zog er die Kleider der Trolldirne an und setzte
sich in die Ecke hin. Als der Troll mit den Gästen nach Hause kam, bat
er die Tochter -- denn er glaubte, daß sie es wäre -- sie möchte doch
auch kommen und mitessen. »Nein,« antwortete der Bursch: »ich will kein
Essen haben, ich bin so betrübt.« -- »Du weißt ja Rath dafür,« sagte der
Troll: »nimm die goldne Harfe und spiele darauf.« -- »Ja, wo ist die
nun?« sagte der Bursch wieder. »Du weißt es ja wohl, Du hast sie ja
zuletzt gebraucht; dort hangt sie ja über der Thür,« sagte der Troll.
Der Bursch ließ sich das nicht zweimal sagen; er nahm die Harfe und ging
damit aus und ein und spielte; aber wie er so im besten Spielen war,
schob er plötzlich den Backtrog hinaus ins Wasser und ruderte damit
fort, daß es nur so saus'te. Nach einer Weile däuchte es dem Trollen,
die Tochter bliebe gar zu lange draußen, und er ging hin, sich nach ihr
umzusehen; da sah er aber den Burschen in dem Trog weit weg auf dem
Wasser. »Bist Du es, der mir meine sieben silbernen Enten genommen hat?«
rief der Troll. »Ja!« sagte der Bursch. »Du bist es, der mir auch meine
Decke mit den silbernen und goldnen Rauten genommen hat?« -- »Ja!« sagte
der Bursch. »Hast Du mir nun auch meine goldne Harfe genommen, Du?«
schrie der Troll. »Ja, das hab' ich,« sagte der Bursch. »Hab' ich Dich
denn nicht gleichwohl verzehrt?« -- »Nein, das war Deine Tochter, die Du
verzehrtest,« antwortete der Bursch. Als der Troll das hörte, ward er so
arg, daß er barst. Da ruderte Aschenbrödel zurück und nahm einen ganzen
Haufen Gold und Silber mit, so viel der Trog nur tragen konnte, und
als er nun damit zurückkehrte, und auch die goldne Harfe mitbrachte,
bekam er die Prinzessinn und das halbe Reich, so wie der König es ihm
versprochen hatte. Seinen Brüdern aber that er immer wohl; denn er
glaubte, sie hätten nur sein Bestes gewollt mit Dem, was sie gesagt
hatten.




2.

Der Gertrudsvogel.


Als unser Herr Christus und St. Petrus noch auf Erden einherwandelten,
kamen sie einmal zu einer Frau, die bei ihrem Backtrog stand und den
Teig knetete. Sie hieß _Gertrud_ und hatte eine rothe Mütze auf. Da
beide den Tag über schon weit gegangen und daher sehr hungrig waren, bat
der Herr Christus die Frau um ein Stückchen Brod. Ja, das sollte er
haben, sagte sie und nahm ein Stückchen Teig und knetete es aus; aber
da ward es so groß, daß es den ganzen Backtrog anfüllte. Nein, das war
allzu groß, das konnte er nicht bekommen. Sie nahm nun ein kleineres
Stück; aber als sie es ausgeknetet hatte, war es ebenfalls zu groß
geworden; das konnte er auch nicht bekommen. Das dritte Mal nahm sie ein
ganz ganz kleines Stück; aber auch das Mal ward es wieder zu groß. »Ja,
so kann ich Euch Nichts geben,« sagte Gertrud: »Ihr müsst daher ohne
Mundschmack wieder fortgehen; denn das Brod wird ja immer zu groß.« Da
ereiferte sich der Herr Christus und sprach: »Weil Du ein so schlechtes
Herz hast und mir nicht einmal ein Stückchen Brod gönnst, so sollst Du
zur Strafe dafür in einen Vogel verwandelt werden und Deine Nahrung
zwischen Holz und Rinde suchen, und nicht öfter zu trinken sollst Du
haben, als wenn es regnet.« Und kaum hatte er die Worte gesprochen,
so war sie zum Gertrudsvogel verwandelt und flog oben zum Schornstein
hinaus; und noch den heutigen Tag sieht man sie herumfliegen mit einer
rothen Mütze auf dem Kopf und schwarz über dem ganzen Leib; denn der Ruß
im Schornstin hatte sie geschwärzt. Sie hackt und bickt beständig in den
Bäumen nach Essen und piept immer, wenn es regnen will; denn sie ist
beständig durstig.




3.

Der Vogel Dam.


Es war einmal ein König, der hatte zwölf Töchter, und von denen hielt
er so viel, daß er sie nie aus den Augen ließ; aber jeden Mittag, wenn
der König schlief, gingen die Prinzessinnen spazieren. Einstmals, da
der König wieder seinen Mittagsschlummer hielt, und die Prinzessinnen,
wie gewöhnlich, spazieren gegangen waren, geschah es, daß sie nicht
zurückkehrten, sondern ausblieben. Da entstand große Sorge und Betrübniß
im ganzen Land; aber am betrübtesten von Allen war der König. Er sandte
Boten aus durch sein ganzes Reich und in viele fremde Länder und ließ
sie nachsuchen und ihnen nachläuten mit allen Glocken über das ganze
Land; aber die Prinzessinnen waren fort und blieben fort, so daß Niemand
wußte, wo sie gestoben oder geflogen waren. Da konnte man denn wohl
begreifen, daß sie von irgend einem Trollen entführt sein mußten. Das
Gerücht hievon verbreitete sich bald von Stadt zu Stadt, von Land zu
Land, und endlich gelangte es auch zu einem König, der in einem Lande
weit weit weg wohnte und zwölf Söhne hatte. Als die Söhne von den zwölf
Königstöchtern erzählen hörten, baten sie ihren Vater um Erlaubniß,
reisen zu dürfen, um die Prinzessinnen aufzusuchen. Der alte König aber
wollte anfangs Nichts davon wissen; denn er fürchtete, daß er dann die
Söhne niemals wiedersehen möchte; aber die Prinzen fielen ihm zu Füßen
und baten ihn so lange, bis er endlich nachgab und sie reisen ließ.
Er rüstete nun ein Schiff für sie aus und setzte zum Steuermann über
dasselbe den Ritter _Röd_, der zu Wasser wohl erfahren war. Lange Zeit
segelten sie nun umher und forschten in allen Ländern, wohin sie kamen,
nach den Prinzessinnen; aber sie entdeckten keine Spur von ihnen. Es
fehlten jetzt nur noch wenig Tage, so hatten sie schon sieben Jahre
gesegelt. Da entstand eines Tages ein heftiger Sturm und ein solches
Unwetter, daß sie glaubten, sie würden nimmer wieder an's Land kommen,
und Alle mußten in einem fort arbeiten, so daß kein Schlaf in ihre Augen
kam, so lange das böse Wetter anhielt. Aber am dritten Tage legte sich
der Sturm, und es ward auf einmal ganz still. Alle waren nun von der
Arbeit und dem schlimmen Wetter so müde geworden, daß sie sogleich
einschliefen; nur der jüngste Prinz hatte keine Ruhe und konnte nicht
schlafen. Während er nun auf dem Verdeck hin- und herging, trieb das
Schiff an eine Insel, und auf der Insel lief ein Hündchen am Ufer und
bellte und winselte gegen das Schiff an, als ob es hinauf wolle. Der
Königssohn pfiff und lockte das Hündchen an sich; aber es konnte nicht
zu ihm kommen und bellte und winselte nur um so mehr. Dem Prinzen
däuchte, es wäre Sünde, das Hündchen dort umkommen zu lassen, das, wie
er glaubte, von einem Schiff sei, welches in dem Sturm untergegangen
wäre; aber er wußte nicht, wie er ihm helfen sollte, da er sich nicht
im Stande glaubte, das Boot allein auszusetzen; denn alle die Andern
schliefen, und er wollte sie nicht gern wegen des Hundes aufwecken. Aber
das Wetter war so klar und so still; da dachte er denn, du musst es doch
versuchen, ob du das Thierchen nicht retten kannst, und er machte sich
daran, das Boot auszusetzen, und es ging damit leichter, als er geglaubt
hatte. Er ruderte nun ans Land und ging auf das Hündchen zu; aber so
oft er es greifen wollte, sprang es zur Seite und lockte so den Prinzen
immer weiter fort, bis dieser, eh' er es gewahr ward, sich in einem
großen prächtigen Schlosse befand. Da verwandelte sich das Hündchen
plötzlich in eine schöne Prinzessinn. Auf der Bank aber saß ein Mann, so
groß und so häßlich, daß der Prinz darüber erschrak. »Du brauchst nicht
bange zu sein,« sagte der Mann; -- aber der Prinz erschrak noch mehr,
als er seine Stimme hörte -- »ich weiß wohl, Was Du willst: Es sind
Eurer zwölf Prinzen, die suchen die zwölf verloren gegangenen
Prinzessinnen. Ich weiß aber wohl, wo sie sind: sie sind bei meinem
Herrn; da sitzen sie jede auf ihrem Stuhl und läusen ihn, denn er hat
zwölf Köpfe. Nun seid Ihr sieben Jahre lang umhergesegelt, aber Ihr
werdet noch sieben Jahre dazu segeln müssen, eh' Ihr sie findet. Was
Dich betrifft, so könntest Du gern hier bleiben, und meine Tochter
bekommen; aber Du musst erst meinen Herrn tödten, denn er ist sehr
strenge gegen uns, so daß wir seiner längst überdrüssig sind; und wenn
er todt ist, werde ich König an seiner Stelle. Versuche aber nun, ob Du
dieses Schwert zu schwingen vermagst,« sagte der Troll. Der Königssohn
wollte ein rostiges Schwert ergreifen, das an der Wand hing, aber er
konnte es nicht vom Fleck rühren. »So musst Du Dir einen Schluck aus
dieser Flasche nehmen,« sagte der Troll. Als der Prinz das gethan hatte,
konnte er das Schwert von der Wand nehmen, und als er noch einen Schluck
genommen hatte, konnte er es aufheben; und als er endlich noch einen
Schluck genommen hatte, konnte er es mit solcher Leichtigkeit schwingen,
als wär' es sein eignes gewesen. »Wenn Du nun wieder an Bord kommst,«
sagte der Trollprinz: »so musst Du das Schwert in Deine Koje verstecken,
damit der Ritter _Röd_ es nicht zu sehen bekommt. Er ist zwar nicht im
Stande, es zu schwingen, aber er wird Dich dann hassen und Dir nach dem
Leben trachten. Wenn sieben Jahre um sind, bis auf drei Tage,« sagte er
weiter: »dann wird es wieder eben so gehen, wie jetzt; es kommt dann
wieder ein gewaltiges Unwetter mit Sturm und Hagel über Euch, und wenn
das vorüber ist, werden Alle müde sein und sich in ihre Kojen legen; Du
aber musst dann das Schwert nehmen und ans Land rudern; alsdann gelangst
Du zu einem Schloß, wo lauter Wölfe, Bären und Löwen als Schildwachen
stehen; aber Du brauchst Dich nicht vor ihnen zu fürchten, denn sie
werden Dir alle zu Füßen kriechen. Sobald Du darauf in das Schloß
gekommen bist, siehst Du den Räuber in einem prächtig geschmückten
Zimmer sitzen; aber zwölf Köpfe hat er, und die Prinzessinnen sitzen
jede auf ihrem Stuhl und läusen ihn, und da kannst Du Dir wohl vorstellen,
daß ihnen solche Arbeit nicht gefällt. Darnach musst Du Dich beeilen
und ihm den einen Kopf nach dem andern abhauen, eh' er aufwacht; denn
geschieht das, so frisst er Dich lebendig auf.« Der Königssohn ging
nun mit dem Schwert wieder an Bord und vergaß nicht, Was ihm der Troll
gesagt hatte. Die Andern lagen noch alle und schliefen; er aber versteckte
das Schwert in seine Koje, so daß weder der Ritter _Röd_, noch sonst
Jemand von ihnen es bemerkte. Nun fing es wieder an zu wehen; da weckte
der Prinz die Andern auf und sagte, es könne nicht angehen, daß sie noch
länger da lägen und schliefen, da sie jetzt einen so guten Wind bekommen
hätten. Niemand von ihnen hatte bemerkt, daß er weg gewesen war. -- Die
Zeit verstrich allmählich, und der Prinz dachte immer an das Abenteuer,
das er bestehen sollte, zweifelte aber an dem glücklichen Ausgang. Als
nun die sieben Jahre bis auf drei Tage um waren, geschah es ganz, wie
der Trollprinz ihm gesagt hatte. Es entstand ein heftiges Unwetter, das
hielt drei Tage lang an, und als das vorüber war, wurden Alle von der
anstrengenden Arbeit müde und legten sich in ihren Kojen schlafen. Der
jüngste Königssohn aber ruderte ans Land, und die Wachen krochen ihm
zu Füßen, und so gelangte er ins Schloß. In einem der Zimmer saß der
König und schlief, wie ihm der Trollprinz gesagt hatte, und die zwölf
Prinzessinnen saßen jede auf ihrem Stuhl und läus'ten jede ihren Kopf.
Der Königssohn winkte den Prinzessinnen, daß sie sich entfernen sollten;
sie zeigten aber auf den Trollen und winkten ihm wieder, er solle
schnell fortgehen; der Königssohn aber gab ihnen durch Mienen und
Geberden zu verstehen, daß er sie befreien wolle; endlich merkten sie
denn seine Absicht und entfernten sich leise eine nach der andern. Nun
sprang der Prinz schnell hinzu und hieb dem Trollkönig die zwölf Köpfe
ab, so daß das Blut wie ein großer Bach strömte. Als der Troll getödtet
war, ruderte der Prinz wieder nach dem Schiff zurück und verbarg das
Schwert. Es däuchte ihm, daß er jetzt Genug gethan hätte, und da er den
Leichnam nicht allein aus dem Schloß schaffen konnte, so wollte er daß
die Andern ihm helfen sollten. Er weckte sie daher auf und sagte, es
wäre eine Schande, daß sie da liegen sollten und schlafen, während er
die Prinzessinnen gefunden und sie von dem Trollen befrei't hätte. Da
lachten die Andern über ihn und sagten, er hätte wohl eben so gut
geschlafen, als sie alle, und es hätte ihm bloß geträumt, daß er ein
solcher Held wäre; denn wenn irgend Jemand die Prinzessinnen sollte
befrei't haben, so wäre es doch weit wahrscheinlicher, daß einer von
ihnen es gethan hätte, als er. Aber der Königssohn erzählte ihnen, wie
sich Alles zugetragen hatte, und als sie ans Land fuhren und zuerst den
Blutbach erblickten und darnach das Schloß und den Trollen und die zwölf
Köpfe und die Prinzessinnen, da sahen sie wohl, daß er die Wahrheit
geredet, und halfen ihm nun die Köpfe und den ganzen Rumpf in die See
werfen. Alle waren nun fröhlich und guter Dinge; aber Keiner war froher,
als die Prinzessinnen, die nun nicht mehr nöthig hatten, den ganzen Tag
über da zu sitzen und den Trollen zu läusen. Von all dem Gold und Silber
und dem kostbaren Geräth, das sich im Schlosse vorfand, nahmen sie so
viel mit, als das Schiff nur tragen konnte. Darauf gingen Alle an Bord,
die Prinzen mit sammt den Prinzessinnen. Als sie aber eine Strecke weit
in die See hinausgekommen waren, sagten die Prinzessinnen, daß sie in
der Freude ihre goldnen Kronen vergessen hätten, die in einem Schrank
auf dem Schlosse lägen, und die wollten sie doch gern mithaben. Da nun
Keiner von den Übrigen sie holen wollte, sagte der jüngste Königssohn:
»Hab' ich schon so Viel gewagt, so kann ich auch wohl die goldnen Kronen
holen, wenn Ihr nur die Segel herablassen und so lange warten wollt, bis
ich wiederkomme.« Ja, das wollten sie, sie wollten die Segel herablassen
und so lange warten, bis er wiederkäme. Als aber der Prinz so weit von
dem Schiff ab war, daß sie ihn nicht mehr sehen konnten, sagte der Ritter
_Röd_, der gern selber der Vornehmste sein und die jüngste Prinzessinn
haben wollte, es könne nichts nützen, daß sie da still lägen und auf ihn
warteten; denn das könnten sie sich wohl denken, daß er doch nicht
zurückkehren würde; sie wüßten überdies, sagte er, daß der König ihm
(dem Ritter _Röd_) die Vollmacht gegeben hätte, zu segeln wann und wohin
er wolle, und nun sollten sie sagen, er sei es, der die Prinzessinnen
befrei't hätte, und wenn Jemand anders sagte, dann solle er das Leben
verlieren. Die Prinzen wagten nicht, anders zu thun, als der Ritter
_Röd_ ihnen befohlen hatte, und sie segelten nun weiter. Inmittlerweile
ruderte der jüngste Königssohn ans Land und ging auf das Schloß, wo er
auch sogleich den Schrank mit den goldnen Kronen fand; und er müh'te
sich so lange ab, bis es ihm gelang, denselben ins Boot zu schaffen. Als
er nun aber in die See hinausgekommen war, konnte er nirgends das Schiff
erblicken. Er sah sich um nach allen Seiten; aber von dem Schiff war
keine Spur zu sehen; da merkte er denn wohl, wie es zugegangen war.
Ihnen nachzurudern konnte nichts helfen, und er mußte daher umkehren
und ans Land zurückrudern. Er fürchtete sich zwar, die Nacht allein im
Schlosse zuzubringen, aber es war nun einmal kein andrer Rath. Er faßte
daher Muth, verschloß alle Thüren und Pforten und legte sich in einem
Zimmer, wo ein aufgemachtes Bett stand, schlafen. Aber angst und bange
war er, und er ward es noch mehr, als es nach einer Weile anfing, oben
im Dach und in den Wänden zu knacken und zu krachen, als ob das ganze
Schloß bersten wollte. Auf einmal raschelte es neben sein Bett nieder
wie ein ganzes Fuder Heu. Bald darauf aber hörte er eine Stimme, die
rief ihm zu, er solle sich nicht fürchten.

»Der Vogel Dam ist hier,
Wo Du nicht kannst, da hilft er Dir,«

sprach die Stimme, und dann sagte sie: »Wenn Du morgen aufwachst, musst
Du sogleich aufs Stabur[1] gehen und vier Tonnen Rocken für mich zum
Frühstück holen; die muß ich erst zu Leibe haben, denn sonst kann ich
Nichts für Dich thun.« -- Als der Prinz am andern Morgen aufwachte,
erblickte er neben seinem Bett einen entsetzlich großen Vogel, der hatte
eine Feder im Nacken, die war so groß wie eine halb ausgewachsene Tanne.
Der Königssohn ging nun aufs Stabur und holte vier Tonnen Rocken für den
Vogel Dam. Als dieser sein Frühstück zu Leibe hatte, sagte er zu dem
Königssohn, er solle ihm nun den Schrank mit den goldnen Kronen an der
einen Seite um den Hals hängen und so viel Gold und Silber nehmen, daß
es den Schrank aufwöge, und es ihm an der andern Seite um den Hals
hängen, und dann solle er sich ihm auf den Rücken setzen und sich nur
gut an der Nackenfeder fest halten. Als der Prinz das gethan hatte, ging
es in einem Sausen fort durch die Luft, und es dauerte nicht lange, so
waren sie über dem Schiff. Der Königssohn wollte gern an Bord, um das
Schwert zu holen, das, wie der Troll ihm gesagt hatte, die Andern nicht
sehen dürften; aber der Vogel Dam sagte zu ihm, das könne nicht angehen;
»der Ritter _Röd_ wird es nicht zu sehen bekommen,« sagte er: »kommst Du
aber an Bord, so trachtet er Dir nach dem Leben, denn er will gern die
jüngste Prinzessinn haben; aber für die kannst Du ganz ruhig sein, denn
sie legt jede Nacht ein bloßes Schwert vor sich ins Bett.« -- Endlich
und zuletzt kamen sie bei dem Trollprinzen an, und da wurde nun der
Königssohn so wohl aufgenommen, daß es gar nicht zu sagen ist. Der
Trollprinz wußte nicht, Was er ihm all für Gutes erzeigen sollte, weil
er seinen Herrn getödtet und ihn zum König gemacht hatte. Er hätte dem
Königssohn gern seine Tochter und das halbe Reich dazu gegeben; aber der
war nun einmal so in die jüngste von den Prinzessinnen verliebt, daß er
nur an sie dachte und durchaus wieder fort wollte. Aber der Troll bat
ihn, sich noch eine Zeitlang zu gedulden und sagte, daß die Andern
beinahe noch sieben Jahre zu segeln hätten, ehe sie wieder nach Hause
kämen. Von der Prinzessinn sagte der Troll Dasselbe, was der Vogel Dam
gesagt hatte: »Für die,« sagte er: »kannst Du ganz ruhig sein; denn sie
legt immer ein bloßes Schwert vor sich ins Bett. Und wenn Du mir nicht
glauben willst, so kannst Du an Bord gehen, wenn sie hier vorüber
segeln, und Dich selbst davon überzeugen und mir dann zugleich das
Schwert wiederbringen; denn wiederhaben muß ich es durchaus.« -- Als nun
nach sieben Jahren die Andern dort vorübersegelten, war es vorher wieder
ein heftiges Unwetter gewesen; und wie der Königssohn an Bord kam,
schliefen sie alle insgesammt, und jede der Prinzessinnen schlief bei
ihrem Prinzen, nur die jüngste Prinzessinn schlief allein mit einem
bloßen Schwert vor sich im Bette, und auf dem Boden vor dem Bette
schlief der Ritter _Röd_. Der Königssohn nahm nun das Schwert und
ruderte wieder ans Land, ohne daß Jemand es bemerkt hatte, daß er an
Bord gewesen war. -- Der Prinz war indeß beständig unruhig und wollte
immer wieder fort; und als endlich die sieben Jahre zu Ende gingen und
nur noch drei Wochen fehlten, sagte der Trollkönig zu ihm: »Nun kannst
Du Dich zur Reise fertig machen, da Du doch einmal nicht bei uns
bleiben willst. Ich will Dir ein eisernes Boot leihen, das geht von
selbst auf dem Wasser, wenn Du bloß sagst: »Boot, geh vorwärts!« Im
Boote liegt ein eiserner Kloben, und den Kloben sollst Du ein wenig in
die Höhe heben, wenn Du das Schiff grade vor Dir siehst; dann bekommen
sie einen solchen Fahrwind, daß sie vergessen, sich nach Dir umzusehen.
Wenn Du dann neben das Schiff kommst, sollst Du den Kloben noch einmal
aufheben; alsdann wird es ein solcher Sturm, daß sie wohl etwas Anders
zu thun bekommen, als nach Dir auszugucken. Und wenn Du an ihnen nun
vorbei gekommen bist, sollst Du den Kloben zum dritten Mal in die Höhe
heben; aber Du musst ihn immer wieder vorsichtig niederlegen, denn
sonst wird es ein solches Wetter, daß sowohl Du, als die Andern darin
umkommen. Sobald Du nachher ans Land gekommen bist brauchst Du Dich
nicht weiter um das Boot zu bekümmern, sondern schieb' es dann nur
umgewendet in die See und sprich: »Boot, geh wieder nach Hause!« -- Als
der Prinz nun abreis'te, bekam er so viel Gold und Silber und andre
Kostbarkeiten und Kleider und Leinenzeug mit, das die Prinzessinn
während der langen Zeit, die er auf der Insel zugebracht, für ihn
genäh't hatte, so daß er viel reicher war, als irgend einer von seinen
Brüdern. Kaum hatte er sich nun ins Boot gesetzt und gesagt: »Boot, geh
vorwärts!« so ging das Boot fort. Und als er das Schiff grade vor sich
erblickte, hob er den Kloben ein wenig in die Höhe; da bekamen sie einen
solchen Fahrwind, daß sie vergaßen, sich nach ihm umzusehen. Als er
darauf neben das Schiff kam, hob er den Kloben noch einmal in die Höhe,
und da ward es ein solcher Sturm und ein solches Wetter, daß der weiße
Schaum rund um das Schiff stand, und die Wellen über das Verdeck
hinschlugen, so daß sie etwas Anders zu thun bekamen, als nach ihm
auszugucken. Und als er ihnen nun vorbeigekommen war, hob er den Kloben
zum dritten Mal auf, und da bekamen sie so reichlich zu thun, daß sie
gar keine Zeit hatten, sich nach ihm umzusehen. Er kam weit, weit früher
ans Land, als das Schiff; und als er all seine Sachen aus dem Boot
geschafft hatte, kehrte er es um, schob es hinaus in die See und sprach:
»Boot, geh wieder nach Hause!« und da ging das Boot wieder fort.

Der Königssohn kleidete sich nun als ein Seemann aus -- ob der
Trollkönig ihm das gerathen hatte, oder ob es seine eigne Erfindung war,
das muß ich ungesagt lassen -- und begab sich nach einer armseligen
Hütte zu einer alten Frau, zu der sagte er, er wäre ein armer Matrose,
der auf einem Schiff gewesen, das untergegangen sei, und er wäre der
Einzige von der ganzen Mannschaft, der sich gerettet hätte, und dann bat
er sie, ihn nebst den Sachen, die er geborgen, bei sich beherbergen zu
wollen. »Ach, Gott helf mir!« sagte die Frau: »ich kann Niemandem
Herberge geben. Ihr seht wohl, wie es hier beschaffen ist; ich habe
nicht einmal Betten, worauf ich selbst liegen kann, viel weniger noch
für Andre.« Ja, das wäre einerlei, sagte der Seemann, wenn er bloß ein
Dach über dem Kopf hätte, dann wär's ihm ganz gleich, wie er läge. Ein
Obdach konnte sie ihm denn nicht versagen, wenn er so damit fürlieb
nehmen wolle, wie sie's hätte. -- Am Abend brachte der Seemann seine
Sachen in die Hütte, und sogleich begann die Alte, die gern etwas Neues
zu erzählen haben wollte, zu fragen, was für Einer er wäre, wo er wohl
her sei, wo er gewesen, und wo er hin wolle, was das für Sachen wären,
die er bei sich hätte, in welchem Geschäft er reis'te, und ob er Nichts
von den zwölf Prinzessinnen gehört hätte, die vor vielen lieben Jahren
verschwunden wären, und dergleichen mehr, so daß es zu weitläufig sein
würde, es alles zu erzählen. Der Seemann sagte aber, er befände sich so
schlecht und hätte solche Kopfschmerzen von dem entsetzlichen Wetter,
das da regiert hätte, daß er sich auf keine Sache recht besinnen könne;
sie möchte ihm nur noch einige Tage Ruhe lassen, bis er sich von der
schweren Arbeit, die er während des schlimmen Wetters gehabt, etwas erholt
hätte, dann solle sie nachher schon Alles erfahren. Den andern Tag begann
die Frau aufs neue zu fragen und ihn auszuforschen; aber der Seemann hatte
noch solche Kopfschmerzen von dem bösen Wetter, daß er sich auf keine
Sache recht besinnen konnte; doch ließ er so von ungefähr ein Wort fallen,
als wüßte er wohl Etwas von den Prinzessinnen. Sogleich lief die Alte
mit dieser Neuigkeit fort zu all den Klatschweibern rund umher, und nun
kam die eine nach der andern gerannt und fragte nach den Prinzessinnen,
ob der Seemann sie gesehen hätte, ob sie bald kämen, ob sie schon auf
der Reise wären u. s. w. Der Seemann aber hatte immer noch Kopfschmerzen
von dem bösen Wetter, so daß er nicht auf Alles Bescheid geben konnte;
aber so Viel sagte er doch, daß wenn die Prinzessinnen nicht Schiffbruch
gelitten hätten in dem heftigen Sturm, sie dann wohl um vierzehn Tage,
oder vielleicht noch etwas früher, ankommen würden; er könne aber, fügte
er hinzu: nicht mit Gewißheit sagen, ob sie noch am Leben wären; er
hätte sie zwar gesehen, sie könnten aber wohl nachher in dem bösen
Wetter umgekommen sein. Sogleich lief eins von den Klatschweibern zu dem
Königsschloß und erzählte dort, es wäre in der Hütte bei der und der
Frau ein Seemann, der hätte die Prinzessinnen gesehen und hätte gesagt,
sie würden wohl um vierzehn Tage, oder vielleicht noch etwas früher,
ankommen. Als der König das hörte, schickte er sogleich zu dem Seemann
und ließ ihm sagen, daß er zu ihm kommen und ihm die Sache selbst
berichten solle. Der Matrose sagte: »Ich habe nicht solche Kleider und
sehe nicht so aus, daß ich zu dem König gehen kann.« Der Bote aber
sagte, er solle nur kommen, der König wolle und müsse ihn sprechen,
einerlei, er möge nun so, oder so aussehen; denn es wäre noch Niemand da
gewesen, der Nachrichten von den Prinzessinnen hätte bringen können. Da
ging denn der Seemann endlich zu dem Schloß und trat zu dem König ein;
der fragte ihn, ob es wahr wäre, daß er die Prinzessinnen gesehen. »Ja,
das ist wahr,« sagte der Seemann: »aber ich weiß nicht, ob sie noch am
Leben sind; denn als ich sie sah, war es ein solches Unwetter, daß wir
Schiffbruch litten. Wenn sie aber damals nicht untergegangen sind, so
mögen sie wohl um vierzehn Tage, oder vielleicht noch etwas früher,
kommen.«

Als der König das hörte, war er beinahe außer sich vor Freuden; und als
es nun um die Zeit war, daß die Prinzessinnen, wie der Seemann gesagt
hatte, kommen sollten, zog der König ihnen in vollem Staat entgegen an
den Strand -- und groß war die Freude über das ganze Land, als endlich
das Schiff mit den Prinzessinnen und den Prinzen und dem Ritter _Röd_
ankam.



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